Fikir7 Manset Haberler

14 Nisan, 2007

"Ein fremdes Gift, das aus Europa kam"

"Ein fremdes Gift, das aus Europa kam"
Auf Franz Werfels Spuren auf dem Musa Dagh
Von Prof. Dr. Rudolf Grulich

Ein Vorläufer der Nürnberger Prozesse
Heute leugnet die türkische Regierung immer noch die Verantwortung, ja die Tatsache dieses Völkermordes. Dass muss eigentlich verwundern, denn wenig bekannt ist bis heute, dass es 1919 bis 1921 auf Druck der alliierten Mächte in Istanbul Kriegsverbrecherprozesse gegen türkische Politiker gab, um den Völkermord an den Armeniern zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen. Der türkische Wissenschaftler Taner Akcam hat diesen kaum beachteten Vorläufer der Nürnberger Prozesse auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht und in den Zusammenhang des Untergangs der alten Sultanherrschaft und des Aufstiegs der jungtürkischen Bewegung gestellt. Die Hauptangeklagten Enver Pascha, Cemal Pascha und Talaat Pascha konnten fliehen und sich in Berlin frei bewegen wie heute die Kriegsverbrecher Karadzic und Mladic in Jugoslawien. Zwar wurden in Istanbul Urteile gefällt und gegen Einzelne sogar Todesurteile vollstreckt, aber die alliierten Pläne zur Aufteilung Anatoliens und die griechische Besetzung Izmirs 1919 mit den schrecklichen Übergriffen gegen türkische Zivilisten riefen den türkischen Widerstand gegen die „Siegerjustiz“ hervor. Die „nationale Souveränität“ der Türkei siegte danach über die Zustimmung zu diesem Prozess, als die griechische Landung in Izmir mit den Massaker an der türkischen Zivilbevölkerung nicht geahndet wurde. Hatten zunächst sowohl die osmanische Regierung in Istanbul als auch die Nationalbewegung in Anatolien Bereitschaft gezeigt, die Verantwortlichen des Völkermordes zu bestrafen, so verschwand nach den Morden in Izmir diese Bereitschaft sehr bald. „Das Recht hat jetzt die Seite gewechselt“, sagte sogar Winston Churchill schon nach der Landung der Griechen in Izmir, „Die Gerechtigkeit, dieses ewige Flüchtige aus den Räten der Eroberer, ist in das gegnerische Lager übergelaufen.“

Foto: Blick vom Musa Dagh Richtung Mittelmeer. Von hier aus hielten die belagerten Armenier 1915 verzweifelt Ausschau nach Rettung.


Die Türkei leugnet den Völkermord

Seitdem leugnet die Regierung der Türkei bis heute die Armeniermassaker und stellt sie als Folge des Weltkrieges dar, als Kollateralschäden, wie es heute heißt. Diese Deportationen und Ausrottungsmaßnahmen sind zwar durch Werke von Johannes Lepsius und anderer Autoren im deutschen Sprachraum bekannt, aber auch durch Adolf Hitler, der sich bei seinen Mordplänen auf die Armenierendlösung berief. Bereits am 22. August 1939, also noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, ordnete er die Ausrottung der Polen an und fragte zynisch: „Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“
Im Jahre 1921, zwei Jahre bevor Hitler in München durch den Marsch zur Feldherrnhalle erstmals zur Macht kommen wollte, sprach ganz Berlin von den Armeniern. Denn einer der Hauptverantwortlichen für die Armeniervernichtung, Talaat Pascha, wurde am 15. März 1921 in Berlin von einem jungen Armenier erschossen, der alle seine Familienangehörige im Jahre 1915 verloren hatte und selber wie durch ein Wunder unter Leichen liegend das damalige Massaker überlebte. Talaat Pascha war wie seine Mittäter Enver Pascha und Cemal Pascha nach dem verlorenen Krieg nach Berlin geflohen, weil ihm in Istanbul die Todesstrafe drohte, in Abwesenheit gegen ihn wie seine Kollegen verhängt wurde. Als der Armenier, der ihn tötete, am 2. und 3. Juni 1921 in Berlin vor Gericht stand, kam die Schuld Talaat Paschas an der Vernichtung der Armenier zur Sprache. Als Sachverständiger was auch Dr. Johannes Lepsius vorgeladen, als Zeugen verschiedene Überlebende der Massaker. Die Anklage verzichtete angesichts der erdrückenden Beweise für die Urheberschaft Talaat Paschas auf eine Reihe weiterer Zeugen, darunter auch auf A. T. Wegener, der dann nach dem Freispruch des Armeniers das stenographische Protokoll des Prozesses veröffentlichte.
Wegener, der im Ersten Weltkrieg Zeuge der Massaker in Kleinasien war, schreibt im Vorwort, dass das Unglück des armenischen Volkes ohne Beispiel sei und bringt im Anhang auch Dokumente, die zeigen, dass Talaat Pascha auch gegen die Türken und andere Muslime vorging, die armenische Waisenkinder adoptiert hatten. Talaat Paschas Sarg wurde vor dem Zweiten Weltkrieg nach Ankara überführt, wo er ein Ehrengrab hat, vor dem türkische Politiker sich verneigen und Kränze niederlegen.

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